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Gunnar Schedel

„Eine Stimme für Vernunft, Wissenschaft und kritisches Denken...“
Im Rahmen der Tagung „Wissen statt Glauben“ erhielt James Randi den Erwin-Fischer-Preis

Zum vierten Mal hat der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) den Erwin-Fischer-Preis verliehen. Der amerikanische „Entzauberer“ James Randi bekam die Auszeichnung für „die Förderung vernunftgeleiteten Denkens“ – eine Bezeichnung, die seine zahlreichen Erfolge bei der Erklärung vermeintlich „übersinnlicher“ Phänomene umschreibt. Eingerahmt war die Preisverleihung von einer Tagung, die in Zusammenarbeit mit der Giordano Bruno-Stiftung und der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) durchgeführt wurde und unter dem Slogan „Wissen statt Glauben“ in zahlreichen Vorträgen skeptisches und religiöses Denken gegeneinander abgrenzte.
Daß es sinnvoll ist, eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen einem auf „ewigen Wahrheiten“ gegründeten Denken und einem Denken, das sich selbst immer wieder überprüft, veranschaulichte ein Beispiel aus dem Vortrag von Christoph Bördlein. Jeder Mensch weiß, daß Pferde nicht rechnen können. Anfang des 20. Jahrhunderts schien jedoch ein Pferd diese „ewige Wahrheit“ zu widerlegen. Der „Kluge Hans“ demonstrierte seine mathematischen Fähigkeiten nicht nur auf Jahrmärkten, sondern bestand auch mehrere Tests durch die verblüffte Wissenschaft. Nur weil ein Student sich weder eine esoterische Begründung à la „Wissendes Feld“ zurechtlegte, noch die außergewöhnliche Beobachtung überheblich als „Zufall“ abtat, sondern den Versuchsaufbau immer wieder überdachte, entdeckte er, daß das Pferd sich seine Information vom Aufgabensteller holte. Durch unbewußte Veränderungen in der Körperhaltung – in Erwartung, ob das Tier beim Erreichen des richtigen Ergebnisses der gestellten Rechenaufgabe mit dem Hufschlagen aufhören würde – erhielt der „Kluge Hans“ das entscheidende Signal und hörte tatsächlich genau dann mit dem Hufschlagen auf. In der Folgezeit wurden die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden verbessert, um die (unbewußte) Beeinflussung von Tests durch den Versuchsleiter auszuschließen (u.a. indem die sog. Doppelblindversuche eingeführt wurden, wo Probanden und Prüfer die richtigen Ergebnisse nicht kennen).
Nach den konkreten Folgen der beiden Denkweisen wurde im von Michael Niepel geleiteten Workshop gefragt: Macht Glaube gesund? Beantwortet konnte die Frage nicht werden, denn, so stellte der Referent dar, die einschlägigen Studien weisen häufig Schwächen auf. Bei einigen bestehe die sog. Kontrollgruppe wiederum hauptsächlich aus Gläubigen, so daß ein Vergleich mit Ungläubigen (bzw. deren Gesundheitszustand) nicht erfolge; andere wiederum vernachlässigten die sog. Ko-Faktoren. So könne es durchaus sein, daß ein statistischer Zusammenhang zwischen Gottgläubigkeit und Lebensdauer hergestellt werden könne; ob dies jedoch als ursächlicher Zusammenhang interpretiert werden kann, bedürfe weiterer Untersuchungen, da auch andere Faktoren (Geschlecht, Bildungsstand, sozio-ökonomischer Status) von Bedeutung sein können. So blieb letztlich die Erkenntnis, daß es keine gesicherten Belege für die immer wieder kolportierte Behauptung gibt, daß der Glaube an sich Gesundheit herbeiführe oder erhalte.
Auch zur Beurteilung der Frage, wer denn moralisch „besser“ handele, Gläubige oder Atheisten, gibt es keine empirischen Belege. Wer sich also nicht allein auf die Bewertung geschichtlicher Ereignisse stützen will, so Volker Dittmar in seinem Referat über skeptisches Denken in moralischen Fragen, müsse den Vorstellungen, in einer Welt ohne Gott gebe es keinen Grund moralisch zu handeln, einen aus der Vernunft abgeleiteten eigenen Standpunkt entgegensetzen. Zudem könnte auf einige Punkte hingewiesen werden, wo eine christliche Moral vor unlösbaren Schwierigkeiten steht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es eine von Gott unabhängige Moral geben kann. Wer dies verneint, muß sich dem Problem stellen, daß eine Moral, die sich ausschließlich auf den Gehorsam Gottes Geboten (oder Willen) gegenüber gründet, autoritär ausgerichtet und anfällig für vielfältige Formen des Mißbrauchs ist.
In weiteren Seminaren erörterte Michael Schmidt-Salomon die Frage, warum die Wissenschaft die Religionskritik ignoriert (vgl. MIZ 2/04); Colin Goldner führte in den esoterischen Psycho-Markt ein und konnte verdeutlichen, wie religiöses Denken Einfallstor für rechte politische Vorstellungen werden kann; Gernot Lennert stellte die aufklärerischen Strömungen innerhalb des Islam vor, betonte aber zugleich, daß die Gegenaufklärung in den islamischen Staaten derzeit deutlich dominiere.
Die Abschlußdiskussion „Aufklärerische Funktionen heute“ am Sonntag erbrachte nur noch wenige neue Aspekte, allgemein war eine gewisse „Kongreßmüdigkeit“ spürbar. Einen Akzent setzte Klaus Hartmann, Vorsitzender der Deutschen Freidenkerverbands (DFV), der die Aufgabenstellung für eine aktuelle Aufklärung vor allem im politischen Bereich sah und die Anwendung ihres kritischen Potentials bei Themen forderte, die bislang nicht zu den Schwerpunkten der säkularen Szene gehören.

Erwin-Fischer-Preis
Ein Höhepunkt für viele Tagungsteilnehmer war sicherlich der Auftritt von James Randi. Dem Nestor skeptischen Denkens in den USA wurde am Samstagabend der Erwin-Fischer-Preis verliehen – und kaum ein Preisträger hätte besser zum Konferenzthema gepaßt.
In seiner Rede zur Begründung der Vergabe des Preises meinte Michael Schmidt-Salomon, daß man diesen James Randi erfinden müßte, wenn es ihn denn nicht schon gäbe: einen Illusionisten, der seine Fähigkeiten, die Wahrnehmung von Menschen zu täuschen, in den Dienst der Aufklärung stellt. Seine Erfahrung als professioneller Zauberer hätten ihn in die Lage versetzt, vermeintlich paranormale Phänomene auch dann zu durchschauen, wenn die akademische Wissenschaft vor einem Rätsel steht. Besonders hob Schmidt-Salomon hervor, daß sich Randi stets dafür einsetzt, Aufklärung auch institutionell abzusichern. Mit der James Randi Educational Foundation habe er eine Einrichtung ins Leben gerufen, die kontinuierlich über „übersinnliche“ Vorkommnisse und ihre oft sehr diesseitigen Gründe aufkläre. Und auch bei der Gründung der Brights, die in den USA „als Anhänger einer wissenschaftlichen Weltanschauung ... den vielfältigen Formen der Pseudowissenschaft und religiösen Bigotterie den Kampf angesagt“ haben, war Randi an führender Stelle beteiligt.
Amardeo Sarma, Geschäftsführer der GWUP, stellte in seiner Laudatio die Vielfalt von Randis Aktionen dar. Sie reichen von der Provokation des Wissenschaftsbetriebs über die investigative Entlarvung augenscheinlicher Betrüger bis zur Zuarbeit für Fernsehshows. Gerade der Bericht über Uri Gellers Auftritt in der Johnny Carson-Show, wo dem Löffelbieger nichts gelang, weil sich die Redaktion gemeinsam mit James Randi auf die Demonstration der vorgeblich paranormalen Fähigkeiten vorbereitet hatte, war ein gutes Beispiel für die Breitenwirkung seiner aufklärerischen Arbeit. (Völlig anders lief im Vergleich dazu die wenige Wochen nach der Preisverleihung in RTL ausgestrahlte Uri Geller-Show, wo – in Kenntnis der Kritik an Geller – ungehemmt Volksverdummung betrieben wurde und kritische Nachfragen nicht zum Konzept gehörten.) Mit dem Mitbegründer von CSICOP, the Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal, werde ein Mann geehrte, „der wie kaum ein anderer eine Stimme für Vernunft, Wissenschaft und kritisches Denken ist“.
James Randis Dankesrede war geprägt von seinem warmherzigen Humor. Schon nach wenigen Sätzen war klar, daß hier kein verbissener „Inquisitor“ steht (was Skeptikern aus Esoterikkreisen immer wieder vorgeworfen wird). So kompromißlos wie Randi Beweise fordert, wenn er eine Aussage für wahr halten soll, so zielstrebig er auch arbeitet, wenn er Scharlatane wie den Fernsehprediger Peter Popoff entlarvt (zu dem Gott interessanterweise über irdische Radiofrequenzen spricht) – Aufklärung bleibt für ihn Dienst am Menschen. So berichtete er auch über die Recherchen zu seinem Buch Faith Healers und welche emotionale Belastung dies mit sich gebracht hätte. Denn zahlreiche Patienten, die angeblich von einem der Geistheiler von ihrem Leiden befreit worden waren, waren mittlerweile verstorben oder nach wie vor todkrank. Es bereitet eben nicht immer nur Freude, wundersame Behauptungen (oder unverantwortliche Versprechungen) zu widerlegen; die Wahrheit kann leider auch bitter sein.
Schließlich wurde dann auch der obligatorische Löffel verbogen. Es war nur ein Trick, versichert James Randi. Ob wir ihm das glauben?

Die Reden werden in einer Festschrift dokumentiert, die im Frühjahr im Alibri Verlag erscheint. Weitere Informationen zur Tagung gibt es unter www.wissen-statt-glauben.de.

erschienen in: MIZ 4/04

siehe auch www.miz-online.de/


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